Im Jura und im schweizerischen Mittelland haben sich die Wildschweine in den letzten vierzig Jahren stark ausgebreitet, nachdem sie Ende des 19. Jahrhunderts beinahe ausgerottet waren. Wildschweine sind grundsätzlich sehr scheue Tiere. Tagsüber verstecken sie sich im Dickicht und gehen erst zur Dämmerungszeit auf Nahrungssuche.
Die Chance, einem Wildschwein im Wald zu begegnen, ist deshalb sehr gering. Trotzdem lassen sich auf einem Waldspaziergang Anzeichen für die Anwesenheit von Wildschweinen in Form von Suhlen oder Trittsiegeln erkennen. In der Witi sind Wildschweine nur auf ihrem Wechsel vom Jura her über die Aare und zurück anzutreffen. Als Standwild haben sie in der Witi zu wenig Deckung. Es kann aber ohne weiteres vorkommen, dass sich die Wildschweine auf ihrer "Durchreise" durch die Witi in der Nacht in einem Maisfeld gütlich tun.
Des einen Freud des andern Leid...
Wenig Freude über die Rückkehr des sogenannten Schwarzwildes herrscht bei den Landwirten. Denn die Tiere richten auf landwirtschaftlich genutzten Wiesen und Äckern zum Teil beträchtliche Schäden an: Mit ihren hochempfindlichen Nasenscheiben pflügen sich die Wildschweine durch den Boden, um Pflanzensamen, Würmer, Engerlinge oder Mäusenester zu suchen.
In ihrem angestammten Lebensraum, dem Wald, ist diese Art der Nahrungssuche willkommen: Mit ihrem Gewühle lockern sie den Boden, öffnen ihn für keimende Samen und durchmischen die oberste Schicht aus Laub mit der darunterliegenden Erde. In landwirtschaftlich genutzten Flächen hingegen führt das Nahrungsverhalten der Wildschweine zu umgegrabenen Kartoffeläckern, zerstörten Maisfeldern oder umgepflügten Wiesen.
Kein Wunder also, wird versucht, die Bestände von Wildschweinen durch Bejagung zu kontrollieren. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Wildschweine sind nämlich äusserst intelligent. So lassen sie etwa beim Wühlen in einem Maisfeld die äussersten Halme am Feldrand stehen, um sich zu tarnen. Zudem verfügen sie über einen scharf entwickelten Gehör- und Geruchssinn, wodurch sie die Anwesenheit eines Jägers selbst auf grosse Distanz wahrnehmen können. Dank ihrem Langzeitgedächtnis sind sie auch in der Lage, sich an frühere unliebsame Begegnungen zu erinnern. Dies alles macht es einem Jäger nicht gerade einfach, die schlauen Tiere zu erlegen.
...sehr anpassungsfähig...
Es ist nicht nur die Schläue, die das Wildschwein zu einer faszinierenden Tierart macht. Seine ganze Lebensweise ist gekennzeichnet durch die Fähigkeit, sich an verschiedenste Lebensräume anzupassen. Als nachtaktives und flinkes Tier besiedelt es vor allem Wälder. Als guter Schwimmer mit isolierender Fettschicht kann das Wildschwein sich auch in Sumpfgebieten heimisch fühlen. Als typischer Allesfresser verschmäht es kaum eine Energiequelle, ob diese nun aus Pilzen, Fallobst, Kräutern, Jungtrieben, Mais, Kartoffeln, Würmern, Schnecken, Engerlingen oder Nüssen besteht. Einzig gefrorener Boden, hoher Schnee oder heisse Regionen ohne genügend Deckung und Wasser setzen seiner Ausbreitung Schranken.
...sozial und gesellig...
Wildschweine sind nicht nur schlau und anpassungsfähig, sondern auch sehr sozial und gesellig. Die weiblichen Tiere – in der Jägersprache Bachen genannt – schliessen sich mit ihren Jungen zu einer Rotte zusammen. Angeführt wird die Gruppe meist vom ältesten und erfahrensten Tier. Diese Leitbache verfügt über wahre Führungsqualitäten: Sie weiss, wann welche Futterplätze aufgesucht werden sollen, wählt den Platz für den Schlafkessel oder entscheidet, wo die Rotte eine Strasse überqueren kann. In diesem Matriarchat haben männliche Tiere, die Keiler, keinen Platz. Sie streifen als Einzelgänger durch den Wald und schliessen sich nur zur Fortpflanzungszeit im Spätherbst bis Winter der Rotte an.