Heute wissen wir, dass die Aare im Laufe der Jahrtausende mehrmals ihre Fliessrichtung abrupt wechselte. Zwar konnte der Fluss jahrelang ostwärts in Richtung des heutigen Lyss, Dotzigen und Meinried fliessen und damit die Juraseen umgehen. Doch in der Region des heutigen Aarberg war das Gefälle der Aare derart gering, dass das mitgeführte Geschiebe dort liegen blieb und und mit der Zeit das Flussbett verstopfte.

Das wiederum führte dazu, dass die Aare ausbrach und nun nicht mehr ostwärts, sondern gegen Westen in den Neuenburgersee floss, was in den betroffenen Gebieten jeweils zu grossen Überschwemmungen führte. Geologen vermuten, dass die Aare zwischen 12'000 und 3'000 v.Chr. sogar mehrheitlich diesen Weg genommen hat. Über die Häufigkeit dieser Richtungswechsel ist man sich nicht im Klaren, auch nicht darüber, wann dies zum letzten Mal geschah. Sicher ist hingegen, dass die ersten Menschen in dieser Region immer wieder schreckliche Überschwemmungen erlebten.

 

Kultur- und Nutzungsgeschichte

Seit der Antike diente die Aare dem Schiffsverkehr, wie einer Steininschrift der römischen Schiffleute in Avenches zu entnehmen ist.

Im Mittelalter war die Aare zudem ein wichtiger Grenzfluss: Sie trennte z. B. die Stammesherzogtümer Burgund und Alemannien, war Grenzabschnitt der karolingischen Reichsteilungen und trennte auch eine Weile Hochburgund vom römisch-deutschen Reich. Mit der Gründung der Stadt Bern, Ende des 12. Jahrhunderts, änderte sich der Charakter der Aare, denn spätestens ab Mitte des 13. Jahrhunderts gab es Brücken über den Fluss und es entwickelten sich zusammenhängende Herrschaftsgebiete auf beiden Seiten der Aare.

Lange Zeit war die Aare auch für die Holzflösserei wichtig. Holz aus dem Emmental wurde zum Rhein und bis zu dessen Mündung in die Nordsee transportiert. Auch heute noch wird die Aarestrecke vom Bielersee bis Solothurn von Kursschiffen der Bielersee-Schiffahrts-Gesellschaft befahren.

Heute hat die Aare auch einen hohen Stellenwert für sportliche Aktivitäten. Praktisch der ganze Flusslauf unterhalb von Thun kann mit kleineren Freizeit-Booten befahren werden und in mehreren Städten entlang der Aare gibt es Strandbäder mit direktem Zugang in den Fluss. Zudem ist die gesamte Flusslandschaft entlang der Aare ein wichtiges Naherholungsgebiet und verfügt über gut markierte Wander- und Velowege.

 

"Die Wassernot am Jura-Südfuss"

Seit dem späten Mittelalter mehrten sich die Berichte über katastrophale Überschwemmungen und Seehochstände im Gebiet der drei Juraseen und der Aare bis Solothurn. Die Aare floss zu jener Zeit, bis zur ersten Juragewässerkorrektion, an den Jurarandseen vorbei, von Aarberg über Lyss bis Büren a.A., wo die Zihl aus dem Bielersee in die Aare einmündete. Etwa ab dem Jahr 1500 wurde die Situation bedrohlich, die Überschwemmungen wurden immer verheerender. Im grossen Moos, in der Orbe- und Broye-Ebene, drangen Sümpfe vor. Bei ausserordentlich hohen Wasserständen vereinigten sich Murten-, Neuenburger- und Bielersee zu einem einzigen grossen See. Die Ebene von Büren a.A. bis Solothurn, die "Grenchner- und Selzacherwiti", stand immer häufiger unter Wasser. Das Gebiet um die drei Jurarandseen bis nach Solothurn war sumpfig und wurde immer wieder überflutet. die Ernte war mager, die Armut bedrückend und die Seuchengefahr gross.

Um diesen Zuständen Einhalt zu gebieten, wurden bereits Ende des 15. Jahrhunderts erste Uferschutzmassnahmen ergriffen und auch in den folgenden Jahrhunderten wurden immer wieder Massnahmen zum Hochwasserschutz getroffen. Eine umfassende, zukunfstgerichtete Juragewässerkorrektion wurde aber, nicht zuletzt auch aus politischen Gründen, erst nach weiteren verheerenden Hochwassern in den 1850er Jahren möglich.

 

Die Juragewässerkorrektion

Die Juragewässerkorrektion wurde in zwei Etappen während der Jahre 1868-1891 sowie 1962-1973 durchgeführt und hatte zum Ziel, das Seeland und die angrenzenden Regionen zukünftig vor Hochwassern zu schützen. Heute ist das Seeland dank den beiden Juragewässerkorrektionen ein intensiv genutzter Lebens- und Wirtschaftsraum. 

Im Rahmen der 1. Juragewässerkorrektion (1868-1891) wurden im Wesentlichen folgende Massnahmen getroffen:

  • Die Aare ab Aarberg wurde durch den künstlich geschaffenen Hagneckkanal direkt in den Bielersee umgeleitet (1).
  • Die Zihl (2) zwischen Neuenburger- und Bielersee und die Broye (3) zwischen Murten- und Neuenburgersee wurden begradigt, kanalisiert und vertieft
  • Die Abflusskapazität aus dem Bielersee wurde durch den Bau des Nidau-Büren-Kanals (4) vergrössert;
  • Durch den Bau des Nidau-Büren-Kanals (4) und eines einfachen Regulierwerks bei Nidau gelang es, den Seespiegel aller drei Jurarandseen deutlich abzusenken und somit das umliegende Land vor Hochwasser zu schützen.

Ergänzend dazu wurde ein weitläufiges Binnenkanalnetz (5) zur Entsumpfung des Grossen Moses und weiterer Gebiete angelegt. Nach langjähriger Arbeit konnten die Böden schliesslich verbessert und in fruchtbares Ackerland umgewandelt werden.

Grundsätzlich war die erste Juragewässerkorrektion ein Erfolg. Allerdings zeigten nicht alle Massnahmen die erhoffte Wirkung, so dass es auch nach der Korrektion immer wieder zu Überschwemmungen kam. Aus diesem Grund wurde die Planung einer 2. Juragewässerkorrektion in Angriff genommen. In den Jahren 1936-1939 wurde als vorgezogene Massnahme der 2. Juragewässerkorrektion das Regulierwerk Port gebaut. Die restlichen Arbeiten wurden schliesslich in den Jahren 1962-1973 ausgeführt und umfassten, im Vergleich zur Ersten Etappe eher kleinere Eingriffe:

  • Bau des Kraftwerkes Flumenthal mit Regulierwehr (6)
  • Ufersicherung an der Aare zwischen Büren a.A. und Flumenthal sowie Entfernung des Emmenriegels (natürliches Abflusshindernis) (7)
  • Verbreiterung und Vertiefung des Broye-, (3) Zihl- (2) und Nidau-Büren- (4) Kanals

Das heutige Erscheinungsbild der Aare im Bereich der "Witi" zwischen Solothurn und Grenchen ist im Wesentlichen auf die beiden Juragewässerkorrektionen zurückzuführen.

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